Regionalbündnis Mecklenburgische Schweiz

Agroforst in Gessin

Unser Projekt für eine artenreiche und regenerative Landwirtschaft in Mecklenburg Vorpommern.

Was ist Agroforstwirtschaft?

Bei der Agroforstwirtschaft kombiniert man Bäume und Landwirtschaft miteinander. Das bringt einen enormen Nutzen für Landwirt:innen, Natur und Klima.
Die Fläche unter und neben den Bäumen kann für Garten- und Ackerkulturen oder für die Tierhaltung verwendet werden.
Wie die Gehölze auf der Fläche angepflanzt werden, ist Sache der Landwirt:innen. Ob einzeln verteilt, wie auf einer Streuobstwiese oder streifenförmig für eine bessere Bewirtschaftung durch Landmaschinen, dies kann ganz individuell auf die Bedürfnisse der Landwirt:innen geplant werden. Generell überwiegt aber der Flächenanteil der landwirtschaftlichen Nutzung dem der Gehölze.

Aus alt macht neu, macht zukunftsfähig!

Agroforstsysteme gibt es eigentlich schon sehr lange, doch im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft wurden immer mehr Sträucher und Bäume aus der landwirtschaftlichen Fläche entfernt um maximale Erträge und eine optimale Wirtschaftsfläche für die immer größer werdenden Landmaschinen zu schaffen.
In Deutschland waren Agroforstsysteme zum Beispiel im Mittelalter stark verbreitet und zwar in Form von Streuobstwiesen, Schneitelbaumwirtschaft und Hutewäldern. Das waren meistens klug durchdachte Kombinationen aus Tierhaltung und der zum Tier passenden Futterpflanze. Durch den im 19. Jahrhundert beginnenden Strukturwandel in der Landwirtschaft verschwanden diese Bewirtschaftungssysteme Zunehmens aus der Agrarlandschaft. Was heute noch auf den Feldern zu finden ist, sind Streuobstwiesen, Windschutzhecken und Gewässerrandstreifen.

Doch langsam kommt die Agroforstwirtschaft wieder zurück auf die Äcker und mehr und mehr Landwirt:innen und Verpächter:innen interessieren sich wieder dafür. Der Grund – die Landwirt:innen spüren es deutlich, der Klimawandel ist da und zeigt sich in Form von Biodiversitätsverlust, Dürre, Humusabbau, Artensterben und Wasser- und Winderosion. Die Agroforstwirtschaft stellt für viele den Versuch einer enkeltauglichen Landnutzung da. Aber nicht nur dass auch die Nachfrage nach Bio-Energierohstoffen nimmt zu. Und so wird aus alt neu, aber nicht ohne nötige Upgrades. Denn die moderne Planung der heutigen Agroforstsysteme passt sich an aktuelle landwirtschaftliche Produktionstechnik an. Die landwirtschaftliche Nutzung soll möglichst wenig durch die Bäume beeinträchtigt werden, sodass eine ökonomisch konkurrenzfähige Produktion von tierischen, ackerbaulichen und forstwirtschaftlichen Produkten erhalten bleibt.


Vorteile der Agroforstwirtschaft:


Erosionschutz

Agroforstwirtschaft schützt die Böden vor Wasser- und Winderosion. Auf Hangflächen verhindern die gepflanzten Baumreihen die Wassererosion erheblich, wenn sie über die Länge der Fläche angebaut wurden. Und auch die Winderosion wird durch die Bäume stark minimiert.
Messungen zeigten: In einem Agroforstsystem mit 4,5 Meter hohen Baumreihen, die 50 Meter voneinander entfernt standen, konnte die Windgeschwindigkeit um 90 Prozent gemindert werden.


Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit

Durch Wurzelreste im Boden, abfallende Früchte und Blätter der Bäume, landet auch wieder mehr Biomasse in und auf der Fläche, dass alles reichert den Humus an und verbessert so die Bodenqualität langfristig. Durch das landwirtschaftliche Forschungsinstitut Agroscope aus der Schweiz wurde im Feldversuch eine Humusanreicherung von 18 Prozent innerhalb von sieben Jahren festgestellt.


Klimaschutz

Agroforstsysteme helfen das Klima zu schützen, denn die Bäume und Hecken binden C02 und auch der gesteigerte Humusaufbau sorgt für gesteigert CO2 im Boden. Besonders viel CO2 wird von Wertholz- und Obstbäumen gebunden.


Mehr Biodiversität

Bäume bieten vielen Tier- und Insektenarten vielseitige Lebensräume. Je unterschiedlicher die Gehölze je diverser die Vielfalt. Wenn man unter den Baumreichen noch Blühstreifen anpflanzt, erhöht man diese Biodiversität noch einmal mehr.


Vielfältiges Landschaftsbild

Auch wenn es viele Touristen nach Mecklenburg Vorpommen zieht, weil sie einmal das weite Gelb der Rapsfelder sehen möchten, ist die Erweiterung der Fläche um Bäume und Sträucher eine Möglichkeit, das Landschaftsbild der ausgeräumten Agrarlandschaft aufzuwerten und vielfältig zu gestalten.


Wasser- und Nährstoffschutz des Bodens

Mehr Biodiversität führt auch zu mehr Resilienz und so kommen Agroforstsysteme auch mit länger anhaltende Trockenperioden besser zurecht. Die Bäumen und Hecken verändern das Mikroklima auf dem Acker, sie schützen den Boden durch ihre Beschattung vor Verdunstung. In dem man die seitlichen Wurzelausläufer der Gehölze in den ersten Jahren konsequent kappt, regt man die Bäume zum Wurzeln in die Tiefe an. Über ihre tiefen Wurzel wirken sie dann als eine Art Wasser- und Nährstoffpumpe. So sorgen die Baumreihen sogar für höhere Erträge. Mit Blick auf die Hitze- und Starkregenereignisse der letzten Jahre, kann Agroforst hier mehr Stabilität für die Landwirt:innen bringen.


Gundwasserschutz

In einer Agroforst-Versuchsfläche mit Pappelgehölzen konnte nachgewiesen werden, dass die mittlere Nitratkonzentration im Grundwasser mehr als 120 Mal niedriger war aus unter den Ackerpflanzen. Das liegt unter anderem daran, dass die Gehölze mit ihren Wurzel in tiefere Ebenen dringen und dort Nährstoffen, aber auch Schadstoffe aufnehmen. Durch das binden von Wasser durch die Gehölze wird auch der Stoffaustrag in Oberflächengewässer minimiert. All das wirkt sich positiv auf die Qualität des Grundwassers aus.


Mehr Schatten

Durch die starke Hitzeentwicklung der letzten Jahre sind mehr und mehr Landwirt:innen gezwungen sich Lösungen zu überlegen, wie sie ihre Äcker vor der Dürre schützen können. Bäume bieten Schatten und Schutz vor Wind, Sonne und zu viel Regen und zwar nicht nur den Tieren die unter ihnen weiden, sondern auch den Pflanzen.


Mehr Produkte

Je nachdem für welche Gehölze man sich auf dem Acker entscheidet, erweitert sich auch die Produktpalette der Landwirt:innen. Ob durch den Verkauf von Hackschnitzeln, Obst oder den langfristigen Kapitalaufbau in Form von Wertholz.



Nachteile der Agroforstwirtschaft:


Höhere Etablierungs- und Bewirtschaftungskosten

Besondere in den ersten Jahren ist im Vergleich zu einjährigen Kulturen mit erhöhten Arbeitsaufwand, sowie höheren Etablierungs- und Bewirtschaftungskosten zu rechnen. Denn neben der „normalen“ Flächenbewirtschaftung muss nun auch noch Zeit für die Baum- und Strauchpflege eingeplant werden. Die Pflege der Bäume und Sträucher findet aber oft in den Wintermonaten statt und damit ausserhalb der Zeiten für die herkömmlichen Bewirtschaftung der Agrarflächen.


Wertverlust

Da Bäume eine langfristig angelegte Investition darstellen, ist natürlich nicht mit schnellen, jährlichen Erträgen zu rechnen. Einmal für die Agroforst entschieden, ist die Flexibilität auf der Fläche begrenzt, was eine Weiterverpachtung oder einen Weiterverkauf erschweren könnte.


Wachstumskonkurrenz

Wenn die Flächeneinteilung zwischen der Ackerkultur und den Gehölzen nicht großzügig genug geplant wurde, kann es unter den Pflanzen zur Konkurrenz um Licht, Nährstoffe, Wasser und Wuchsraum kommen. Eine gute Planung hilft diese Konkurrenz auf ein tolerierbares Maß zu reduzieren.


Die Agroforst-Richtline Mecklenburg-Vorpommerns

Nach der Förderrichtlinie Mecklenburg-Vorpommerns müssen für einen Agroforst mindestens zwei Gehölzstreifen in einer Breite von drei bis 25 Metern angelegt sein, die weitestgehend durchgängig mit Gehölzen bestockt und damit sehr dicht sind. Der Abstand zwischen zwei Gehölzstreifen darf minimal 20 und maximal 100 Meter betragen, damit die landwirtschaftlichen Maschinen gut wirtschaften können. Einige Pflanzenarten dürfen nicht gepflanzt werden, da sie nicht heimisch sind, sich zu stark ausbreiten und dann andere Pflanzenarten verdrängen würden. Das betrifft zum Beispiel den Eschen-Ahorn, den Schmetterlingsstrauch oder die Roteiche.

Das Agroforst Pilotprojekt in Gessin

Das Regionalbündnis Mecklenburgische Schweiz hat in seiner Funktion als Landschaftspflegeverband im Dezember 2023 das Agroforst Pilotprojekt am Standort Gessin auf einer landwirtschaftlichen Fläche von 21 ha übernommen. Mit dem Projekt wollen wir eine Agroforst-Musterfläche für die Forschung, Lehre und den Betrieb zur Verfügung stellen.
In Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Kreislauf Gärten von Jonas Gampe entstand der Plan für die Fläche.

Entwurf für die Ackerfläche in Gessin: Kreislauf-Gärten / Digitalsierung des Plans: Franka Gottschald
Entwurf für die Ackerfläche in Gessin: Kreislauf-Gärten / Digitalsierung des Plans: Franka Gottschald

Die Pflanzarbeiten beginnen im Dezember diesen Jahres. Mit vielen tatkräftigen Helfern sollen insgesamt über 4.000 Gehölze in die Erde gebracht werden. Davon vor allem regionaltypische Straucharten für Feldgehölzhecken, welche die Fläche umschließen und schützen werden. Außerdem über 600 Obst-, Nuss- und Laubgehölze, die im nördlichen Teil als Streuobstwiese und im südlichen Teil agroforsttypisch in Reihen angelegt werden. Ein im Norden geschaffenes Feuchtbiotop stellt sicher, das im Fall von Starkregenereignissen ein zusätzlicher Schutz vor schwemmenden Wassermassen gegeben ist, die den Hang hinunterbrausen und die darunterliegenden Grundstücke bedrohen.

Das Ziel

In Gessin hat das Agroforst-System vorrangig den Schutz des Bodens vor durch Wind und Wasser bedingter Erosion zum Ziel. Schon einmal haben heftige Regenfälle Erde des südlich gelegenen, stark abschüssigen Ackers ins Dorf gespült, die die Straße bedeckte und bis in den Dorfteich floss. Außderdem soll dem immer weiter voranschreitenden Humusrückgang entgegengewirkt werden. Im Vergleich zum Zustand der Fläche vor 80 Jahren wurde eine alamierende Minderung von 60% festgestellt! Damit der Acker weiterhin nutzbar bleibt und in den kommenden Jahrzehnten nicht zur unfruchtbaren Lehmwüste wird, muss etwas passieren. Zudem überzeugten natürlich auch die vielzähligen Vorteile des Agroforstes, die bis jetzt konventionell bestellte Fläche auf ein naturnaheres Wirtschaften umzustellen.

Die Planung

Die Planung stammt vom bayrischen Planungsbüro Kreislauf Gärten, das sich auf die Entwicklung und Anlage von Permakulturgärten spezialisiert hat und auch die Umsetzung in Gessin übernehmen wird. Anfang des Jahres 2023 begann der Planungsprozess mit der Besichtigung der Fläche durch Jonas Gampe, der im Anschluss daran den ersten Plan entwarf. Dieser wurde über das Jahr in steter Kommunikation bis zur fertigen Version angepasst.

Was bringt die Zukunft?

In den nächsten Jahren sollen sich die Pflanzungen auf der Fläche etablieren können und diese auch zum Ort der Weiterbildung und Schulung werden lassen. Sie soll durch das Regionalbündnis Mecklenburgische Schweiz für Interessierte zugänglich gemacht werden. Außerdem wird eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes durch die UNI Rostock und die Hochschule Neubrandenburg angestrebt.

Gefördert wird das Projekt durch das Land Mecklenburg-Vorpommern gemäß der Richtlinie zur Förderung von Projekten der Landschaftspflege aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds.

Für Informationen rund um das Projekt, könnt ihr uns jederzeit ansprechen.

Kontakt


    Landessignet mit Zusatz LM - Agroforst in Gessin
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